von Jarek » Mi 11. Apr 2007, 00:38
Besagter Magier hielt sich wie erwähnt gar nicht in der Stadt auf. Nil’han erhielt ihre Sachen nicht zurück und wurde stets im Auge behalten, während sie die kleine Truppe durch das Stadttor führte. Es schien ihr Unbehagen zu bereiten stets beobachtet zu werden und nicht von Schatten zu Schatten zu huschen, sich zu verbergen und ihr Netz auszulegen.
Vor den Toren erging es ihr kaum besser. Zwar lebten Spinnen sicher auch hier. Aber versteckten sie sich in Sträuchern Büschen und Baumwipfeln oder flochten ihre Netze zwischen langen Grashalmen. Aber sie gingen nicht auf freier Fläche und unterhielten sich dabei miteinander. Und dennoch hatte sie der kleinen Fee zu erklären, wie sie sich mit den Spinnen verständigte, obschon sie es selbst kaum sagen konnte. Es war eine eher empathische Kommunikation, bei der sie eher mit untrüglicher Gewissheit erahnte, was ihre Artverwandten sagen würden.
Ihr „Meister“ wohnte nicht weit entfernt. Von den Zinnen der Stadtmauer aus müsste man gar sogar wenigstens die Spitze des Turmes noch erkennen können. Das Bauwerk stand in einer hohen Wiese, die einem Menschen bis etwa zur Brust gereicht hätte. Hummeln und Bienen besuchten die verschiedenen Blüten und Vogelzwitschern verkündete den Einbruch des Frühlings. Ein Hain aus dicht stehenden Bäumen, in deren Schatten sich so Mancherlei verstecken mochte, bot dem Turm etwas Windschatten aus Westen bis Norden. Seine Grundmauern waren mit dicken und groben, dunklen Fellsbrocken errichtet worden und erinnerten an heftige Kämpfe, so dass diese Steine sicher mit Blut getauft worden waren. Darüber erhob sich ein rustikaler und engerer Zylinder aus hellerem Gestein, welches bis unter die oberste Etage reichte. Fast nur einige Schießscharten unterbrachen die ansonsten lückenlose Mauer. Das oberste Stockwerk reichte wenigstens ein , wenn nicht sogar zwei, Schritte, über die Mauer darunter hinaus. Sein hölzerner Boden erklärte, dass hier weder für die Ewigkeit, noch für den Krieg gebaut worden war. Wiederrum war dunkler Stein verwendet worden, der von großen Fenstern unterbrochen wurde. Dunkler Schiefer bedeckten das Dach.
Am eigentümlichsten wirkte jedoch sicher die Treppe dieses Turmes. Sie schien sich störrisch aus dem ersten Stockwerk zu winden. Ihre Stufen schienen frei in der Luft zu schweben, während sie sich außen um die Mauer herumwand um dann bis ganz hinauf zum Dachgeschoss zu reichen.
Die Gruppe bog um eine letzte Kurve des Pfades, so dass ihr Blick auf den Sauber geführten Garten schweifen konnte, der sich zur einen Seite des Turmes hin erschloss und hinüber zum Waldstreifen ragte. Ansonsten war das Feld vor dem Türm gemäht worden und wahrscheinlich auf einem Kompost gesammelt worden, so dass sie freien Blick auf den Magier erhielten, der vor dem Turm saß und Pfeife rauchte.
Eine massive Bank aus dem Felsgestein der Grundmauern bot einem Troll genügend Platz, der für seine Art relativ klein wirkte, kaum größer als zweieinhalb Meter ragte er in den Himmel, als er der Gruppe Ansichtig wurde und sich erhob um sie angemessen zu empfangen. Dabei erweckte er den Eindruck, als würde er die Masse für einen Troll von voller Größe mitbringen. Als wäre er gestaucht, wirkten die Arme und Beine wie junge muskelbepackte Baumstümpfe. Die kräftigen Finger endeten in sauber gefeilten Klauen und die Füße waren sogar mit weichen Lederstiefeln versehen. Eine Robe aus teurem und fließendem, schwarzem Stoff verschleierte die Gestalt. Auf Brusthöhe, wo das Herz liegen sollte, war ein Zeichen in den Stoff gestickt worden. Ein Rad mit neun Speichen, welches bei seinen Bewegungen in allen Regenbogenfarben schillerte. Gelehrte mochten wissen, dass es sich bei Robenträgern mit diesem Zeichen um Magier aus der Gilde der Weisheit aus Visdom handeln musste. Und die Farbe der Robe, wies auf seine Spezialität der Beherrschung hin.
Mit seiner dunklen, graubraunen bis schwarzen Haut, wirkte er wie ein monströser Schatten in der schwarzen Robe, dessen Kapuze er zurückgeschlagen hielt. Seine mandelförmigen Augen hatte er zu Schlitzen verengt um besser erkennen zu können, wer sich ihm da näherte. Weiche ebenmäßige Züge hätten das Gesicht regelrecht attraktiv wirken lassen, wäre seine Größe nicht recht einschüchternd gewesen und hätte ihm nicht irgendetwas die Nase grausam zugerichtet. Als wäre sie abgerissen oder abgebissen worden, entwuchs ihm nur noch ein kleiner Stumpf mit den zwei Nasenlöchern.
Er steckte sich die kunstvoll geschnitzte Pfeife in den Mund und griff nach einem langen Stab, der fast so hoch maß, wie er selbst um der Gruppe entgegen zu treten.
Der Stab bestehend aus stumpfem blank poliertem Metall erinnerte an zwei Schlangen, die sich umeinander wanden und die am oberen Ende in einen bleichen Kristall zu beißen schienen. Zum unteren Ende hin hingegen bildeten ihre Schwänze bedrohliche Spitzen. Erschien der Stab auch noch so schwer, handhabte der Magier ihn mit einer Leichtigkeit, die gewiss seiner Gestalt zuzutrauen war.
Anscheinend um ihn wirklich obskur wirken zu lassen, setzte er sich das feine Drahtgestell, welches an einer dünnen Silberkette um seinen Hals hing, auf den Nasenstumpf und betrachtete durch die zwei eingefassten Linsen die Truppe mit dem Trolltypischen schiefen Lächeln, bei dem die spitzen schwarzgelben Zähne zum Vorschein kamen, die dieses Wesen als Fleischfresser aufwiesen, und schon so manchen in die Flucht hatten schlagen können.
Das mangelnde Sehvermögen der hellgrauen Augen besaß durchaus auch einen gewissen Vorteil. Es ließ den Magier etwas unsicher werden. Denn sonst hätte er das Kinn sicher in unvorteilhafter Arroganz vorgestreckt. Von solchen Gefühlskämpfen ließ Irenicus jedoch nichts wissen, von dem der ein oder andere vielleicht schon mal gehört hatte. Viele Trolle hatten zumindest nicht in Visdom die Magie studiert oder lagerten in der Nähe der Stadt und wurden geduldet. Manch einer mochte auch wissen, dass er dereinst behauptet hatte der Magiergilde zu Ostenbruck zu entstammen und durchaus ein in den Rang eines anerkannten Erzwingers gelangt zu sein.
Nun stand dieses ungewöhnliche Individuen vor ihnen und betrachtete sie neugierig, während Nil’han vor ihm niederkniete und den Blick senkte. Mit dem Rumpeln von Steinbrocken in der Brust, welches den Trollen zum Sprechen diente, frage er: „Wen hast du mir denn da mit gebrach?“ Und als er sich leicht bückt um ihr die freie Klaue auf die Schulter zu legen, lässt er von sich väterlich vernehmen: „Schon gut. Stärke dich erst einmal. Das Essen dürfte bald fertig sein.“
Nil’han erhob sich rasch wieder und schien in Richtung Turm fast zu flüchten, der ihr wieder schützende Dunkelheit versprach. Unterdessen nahte die Konfrontation zwischen dem Magier und der, von Graubart angeführten, Gruppe. Ihre Umgebung schien den Atem anzuhalten. Für einen Moment wehte kein weiterer Wind und zupfte an der Robe oder an dem langen nach hinten gebundenen schwarzen Haar des Trolls. Nichts bewegte sich. Und alles blieb still. Allein ein monotones Schlagen von stahl gegen Stahl, wie bei einem Schwerttraining, erklang von irgendwo hinter dem großen Turm.
„Nun. Ich bin Irenicus, aus der Gilde der Weisheit von Visdom. Und wen darf ich in meinem bescheidenen Heim begrüßen?“